Neues ITRA Punktesystem

von Sabine



Vor zwei Tagen erschien auf der Homepage der ITRA eine Mitteilung: Ab 2019 hat sie die Punkteregelung für die Bewertung von Wettkämpfen geändert.

Nun erzeugt – gerade in Deutschland – bei vielen Trailrunnern alleine schon die Erwähnung des Akronyms „ITRA“ einen Brechreiz. Das hat Gründe. Teilweise sogar sehr gute. Andererseits weiß ich von vielen Läufern, dass sie sehr genau auf diese ITRA-Punkte schauen, da sie irgendwann oder sehr bald den UTMB oder eines seiner Schwesterrennen laufen wollen. Sonst gibt es ja kaum ein Rennen, das auch auf diese Art der Qualifikationspunkte zurückgreift.

Daher ist es durchaus sinnvoll zu betrachten, worum es sich genau bei dieser Änderung handelt. Und welche Konsequenzen sie hat. Ich habe mir dazu ein paar bekannte und hoch frequentierte Läufe in den Alpen herausgesucht - und außerdem alle Läufe, die in Deutschland ITRA-Punkte vergeben (davon gibt es ja nicht besonders viele).

Die Diskussion, ob diese Punkte sinnvoll sind oder nicht möchte ich hier allerdings nicht führen. Dazu ist schon sehr viel gesagt und geschrieben worden. Und das hilft denen nicht weiter, die eben doch mal unbedingt den UTMB laufen wollen.



Die Erklärung der ITRA

Die Erklärung ist hier  zu finden.

Die Fakten:
  • Die neue Regelung tritt ab 01.01.2019 in Kraft.
  • Die Regelung betrifft die Grenzwerte des sogenannten KM-Effort, anhand dessen die ITRA-Punkte für die Wettbewerbe berechnet werden. Siehe Tabelle unten.
  • Die Berechnung der KM-Effort Werte bleibt gleich: KM-Eff=Länge[km]+(positive Höhenmeter [m]/100). Hierbei gibt es auch weiterhin sogenannte Penalties zu berücksichtigen, z.B. für sehr viele Verpflegungsstationen auf dem Kurs bzw. für Rennen, die auf Loops ausgetragen werden. Details findet man hier (für Verpflegungsstationen und Loops). Auch an diesen Penalties ändert sich nichts, wie mir nochmals von der ITRA per e-mail (s.u.) bestätigt wurde.
  • Das heißt: Der KM-Effort Wert für jedes Rennen bleibt auch in Zukunft gleich. Nicht aber die hierfür vergebenen ITRA-Punkte.
  • Gemäß der Punkte werden die Rennen ab sofort in Kategorien von XXS (0 Punkte) bis XXL (6 Punkte) eingeteilt.

Interessant ist, wie die ITRA diese Veränderung begründet: In der Ankündigung schreibt die ITRA, dass man – basierend auf den Daten seit 2014 – festgestellt hat, dass es Rennen der gleichen bisherigen ITRA-Kategorie gibt, für die gleich starke Läufern ganz unterschiedliche Zeiten benötigen. Daher will man jetzt das Punktesystem ändern, um die Rennen vergleichbarer zu machen und sie in einer konsistenteren Weise zu gruppieren.


Was bedeutet die Änderung

Schauen wir zunächst mal auf die Graphik, die zeigt, wie die neue Verteilung der Punkte aussieht. Grundsätzlich müssen ab 2019 die Rennen im Durchschnitt einen höheren KM-Effort Wert aufweisen, um die gleiche ITRA Punktzahl zu erhalten. Oder umgekehrt: Einige Rennen werden ab 2019 einen Punkt weniger vergeben können als vorher. Am stärksten ist die Differenz beim Grenzwert zwischen ITRA-Kategorien 3 und 4. Dort braucht man ab 2019 25 Punkte mehr als zuvor. Wenn man bedenkt, dass im bisherigen Punktesystem die ITRA Kategorie 3 ganze 25 Punkte und die ITRA Kategorie 4 50 Punkte umfasste, dann ist das eine deutliche Erhöhung der Anforderungen. Und einige Rennen werden das spüren.




Insgesamt hatte der bisherige Verlauf der Kurve bislang tatsächlich einen Knick beim Übergang zwischen ITRA 3 und ITRA 4 – und der wird mit der neuen Regelung etwas entschärft. Auch gut zu sehen an den Spannbreiten der einzelen ITRA Punktkategorien. Die waren bisher 25-15-25-25-50-50, ab 2019 25-20-30-40-40-55. Das heißt: Der Bereich zwischen ganz einfach und ganz schwierig wird im neuen Punktesystem zwar noch nicht linear, aber etwas kontinuierlicher den ITRA-Punkten zugeordnet.



Was heißt das für die einzelnen Rennen?

Zunächst mal zu den wichtigsten Rennen in den Alpen, bei denen sich viele Läufer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Punkte holen:
  • Lavaredo Ultra Trail: KM-Eff=177,5. Keine Veränderung: 5 Punkte
  • Großglockner 110: KM-Eff=175,1. Keine Veränderung: 5 Punkte
  • Scenic Trail 113 km: KM-Eff= 190,5. Bislang 6 Punkte, ab 2019 5 Punkte
  • Hochkönigman Endurance Trail: KM-Eff=140,7. Bislang 5 Punkt, ab 2019 4 Punkte
  • Eiger Ultra Trail E101: KM-Eff=150,2 (10 Punkte Penalty wg. hoher Zahl von Verpflegungspunkten. ITRA erkennt außerdem trotz der Angaben des Eiger Ultra, dass die Streckenlänge 101km bei 6700 HM sind, nur 98,6km/6160HM an). Bislang 5 Punkte, ab 2019 4 Punkte (sofern sich an der Streckenanerkennung nichts ändert).
  • Mozart 100: KM-Eff=150,6. Bislang 5 Punkte, ab 2019 4 Punkte.
Das heißt: von den 6 hier betrachteten Rennen bleiben nur 2 ungeschoren – der Rest verliert einen ITRA Punkt. Bitter vor allem für die Läufe, die in Zukunft nur noch 4 Punkte vergeben, da für den UTMB ja vor allem Rennen interessant sind, die 5 oder 6 Punkte vergeben. 

Und wie sieht es mit den Läufen in Deutschland aus – davon gibt es ja nicht sehr viele, die ITRA-Punkte vergeben:
  • Joker Trail: ab 2019 2 statt 3 Punkte
  • Hexenstieg: wie bisher 6 Punkte; Hexenritt wie bisher 5 Punkte; Hexentanz ab 2019 4 statt 5 Punkte.
  • Sachsentrail Ultrarun: ab 2019 3 statt 4 Punkte
  • Hartfüßler Trail:ab 2019 2 statt 3 Punkte.
  • Pfalztrail Ultrarun: wegen Penalty (Verpflegungspunkte) ab 2019 nur noch 3 Punkte.
  • Südthüringentrail: Heldentrail ab 2019 3 statt 4 Punkte, Riesentrail 2 statt 3 Punkte.
  • Kobolt: ab 2019 5 statt 6 Punkte, Kleiner Kobolt: 4 statt 5 Punkte.
  • Real Kick: ab 2019 4 statt 5 Punkte.
  • Jägerstein Ultra: ab 2019 3 statt 4 Punkte.
  • UTLW König vom Bayerwald: weiterhin 3 Punkte.
  • Trail Römische Weinstraße 66.6 km: ab 2019 3 statt 4 Punkte.
Bei den deutschen Ultras büßt also fast jeder Wettbewerb einen Punkt ein.

Was halte ich von all dem? Ich habe zum einen Schwierigkeiten zu glauben, dass es tatsächlich das Bemühen um eine konsistente Bewertung ist, die zu diesem neuen Punktesystem geführt hat. Denn dann sollte man vor allem an der Stellschraube „Berechnung des KM-Effort Wertes“ drehen.  Eine reine Veränderung der Grenzwerte bringt hierfür vergleichsweise wenig. Zum anderen sollte dann nicht notwendigerweise resultieren, dass unabhängig vom ITRA-Punktwert grundsätzlich höhere KM-Effort Werte benötigt werden. Eine Kurve bekommt man auch geglättet, wenn man den niedrigsten und höchsten Wert konstant lässt.

Daher: ITRA – come on! Verkauft uns nicht schon wieder für blöd! Offensichtlich versucht man über diese Stellschraube, die „Bewerber“ für den UTMB zu reduzieren, indem man die Latte höher legt. Das kann man ja machen, sollte das aber offen so sagen. Da aber ITRA und UTMB nicht nur zwei angeblich unabhängige Institutionen sind und auch nur der UTMB ein Unternehmen ist, fürchtet die die ITRA die klare Benennung des eigentlichen Grundes wie der Teufel das Weihwasser. Diese Verquickung zwischen ITRA und UTMB, die hier wieder deutlich wird, ist für mich das eigentlich Negative dieser Ankündigung. Und die offensichtliche Augenwischerei.

Und was ist nun mit denen, denen angesichts dieser Regelung die Qualifikations-Felle davonzuschwimmen drohen? Zum einen kann man versuchen, möglichst viele Punkte noch 2018 zu sammeln. Und wenn das nicht klappt und es ab 2019 noch stressiger und vielleicht zu stressig wird: Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Will heißen: Es gibt sehr viele sehr attraktive Trailrennen, die mindestens so schön und attraktiv sind wie der UTMB … vielleicht sogar noch attraktiver. Im letzten Trailticker habe ich schon Martina und Thibaud erwähnt, die angesichts der Auslosung des UTMB Listen von Rennen zusammengestellt haben, die sehr gut als „Ersatz“ dienen könnten. Diese Listen könnten mit der aktuellen ITRA-Ankündigung noch interessanter werden ...

Anmerkung (Mai 2019): Inzwischen hat der UTMB angekündigt, dass er ab 2021 neben der traditionellen Schiene via ITRA-Punkten und Auslosung noch eine "Premium Qualifikation" unter Umgehung der Auslosung vorsieht. Alle Details dazu sowie eine kritische Bewertung findet Ihr hier

Zum Schluss noch ein Hinweis: Wer angesichts dieses Punktesystems noch Informationsbedarf hat und erfahren möchte, was genau hinter ITRA, UTWT und UTMB steckt und wie sich die beiden von der ITRA vergebenen Punktesysteme (Bewertung von Läufern und Wettkämpfen) unterscheiden, dem kann ich einen sehr guten und informativen Podcast von Vitamin Berge ans Herz legen: "Punkte, Mythos und Kommerz - Trailrunning Talk mit Steve Auch und Michael Arend".

Nachtrag: Im April 2019 hat der UTMB sein Qualifikationssystem nochmals grundlegend geändert. Mehr dazu gibt es hier

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