TRANSGRANGANARIA - Das Rennen

von Erik



Der TRANSGRANGANARIA 125 ist Geschichte und ich war dabei. Zeit für einen Bericht.



Angereist bin ich am Mittwoch, um mich akklimatisieren zu können. Ich denke es hätte auch Donnerstag gereicht. Bei knapp 20 Grad ist der Unterschied zu daheim nicht dramatisch.

Eingebucht hatte ich im Hotel Sentido Princess. Kann man empfehlen, 1 km zum Strand, gute Zimmer und recht gutes Buffet.

Mittwoch nachmittags am Strand spazieren, ein alkoholfreies Bierchen trinken. Alles sehr entspannt.

Dann gemütlich am Hotelbuffet schlemmen. Herrlich. So kann es weitergehen.

ExpoMelomeras

Donnerstag vormittags bin ich dann zum Startnummerholen gefahren. Nix los, nach 10 Minuten war ich fertig. Kurz noch über die Messe gelaufen, die recht überschaubar war. Noch ein schnelles Erinnerungsphoto:


Auf der Messe hatte ich mich mit einer Schweizerin unterhalten; der Eiger Ultra war mit einem Stand vertreten. Auf meine Frage nach dem Wetter (da ich immer noch am überlegen war, ob ich ein warmes Oberteil mitnehmen solle) meinte sie, sie hätte sich mit einem Spanier unterhalten, der war auf einen der Gipfel gefahren, die im Rennen zu erklimmen sind. Und es wäre saukalt da oben. So ungefähr 10 Grad. Aha. Saukalt? 10 Grad? Das müsste dann wohl spanisches saukalt sein. Damit war ich auch so schlau als wie zuvor.

Da ich eh den ganzen Tag Zeit hatte und das Wetter auch nicht so toll war, habe ich mich dann zu einem Ausflug entschlossen. Auf einen der höchsten Punkte der Strecke, nämlich zur Drop Bag Station bei Garanon, in der Nähe von El Nublo. Eine Stunde Fahrt, sehr schöne Strecke, Bergrallye, mein Renault Twingo musste alles geben.


Oben dann: 7 Grad. Also bestes Laufwetter: unten 16 bis 20 Grad, oben 7. Deshalb nur kurze Klamotten und die vorgeschriebene Regenjacke. Dann habe ich natürlich auch noch die Laufschuhe geschnürt und bin 45 Minuten einen Teil der Strecke abgelaufen. Schön zu laufen, steinig, sandig, recht flowig. Passt. Das sieht gut aus. Freue mich auf morgen. Dass dieser Streckenabschnitt alles andere als repräsentativ für die Gesamtstrecke war, sollte ich zu meinem Leidwesen dann noch erfahren...

Zurück im Hotel ging es dann direkt zum Abendessen. Ausflüge machen hungrig! Ich musste feststellen, dass Hotels mit gutem Buffet für Läufer vor einem Wettkampf gefährlich sein können. Schließlich muss man ja alles probieren. Und der Fisch war so lecker. Und der Rinderbraten. Und der Seafoodsalat...

Abends war dann noch die Elite Runner Presentation und das Race Briefing angesetzt. Die Vorstellung der Läufer war eingeschränkt wertvoll, da einer der beiden Moderatoren bei weitem den grössten Sprechanteil von allen hatte und das überwiegend auf spanisch. Und die Läufer waren größtenteils auch recht einsilbig. Aber nun gut.


Das Racebriefing bräuchte man normalerweise auch nicht unbedingt, allerdings kam ein entscheidendes Detail zur Sprache: Es rolle eine Sturmfront auf Gran Canaria zu. Deshalb wurde der Marathon für den Freitag abgesagt und für Samstag neu angesetzt. Alle anderen Wettkämpfe sollten wie geplant stattfinden können. Allerdings könne es sein, dass es das ganze Wochenende heftig regnet und deshalb wird von der Organisation "highly recommended" neben der obligatorischen Regenjacke auch eine Regenhose mitzunehmen.

Na prima. Jetzt hatte ich schon auf perfektes Wettkampfwetter gefreut und nun das. Aber gut, so ist es dann halt.

Für Freitag war dann nur rumgammeln angesagt. Entspannen, Kräfte sammeln, leichtes Essen, Ausrüstung nochmal checken und Rucksack ordentlich packen.



Abendessen dann direkt um 18.00 Uhr, somit bleiben fünf Stunden zum verdauen. Später werde ich dann noch einen Riegel und ein Gel mitnehmen für 30 Minuten vor dem Lauf. Getränketechnisch wie immer, also 2-3 Stunden vor dem Start ordentlich was reinschütten, bis man voll hydriert ist. Merkt man daran, dass dann jeder weitere Schluck sofort unten rausläuft. Dann noch 0,3 bis 0,5 Liter mitnehmen und direkt vor dem Lauf trinken. Aber wirklich direkt davor. Also 5 bis 10 Minuten, sonst muss man sofort auf die Toilette, da man ja hydriert ist und pinkelt alles wieder raus was eigentlich mit soll.

Beim Abendessen hatte ich einen netten Engländer kennengelernt: Liam. Er läuft auch den TGC 125 und wir verabreden uns für 19.30 Uhr zu einem gemeinsamen Taxi nach Expomelomeras, wo der Busshuttle abgeht und auch dann das Ziel sein wird.

Nochmal kurz in sich gehen. Und los geht’s. Der TRANSGRANGANARIA 125 2018 kann kommen!


Da der Busshuttle dieses Jahr schon um 20 Uhr startete, waren wir extrem früh am Start in Las Palmas. Gute 2 Stunden Zeit! Kaffee trinken, rumlaufen, Startbereich checken.


Immer noch über eine Stunde. Wenigstens war was los. Volksfest mit Tänzern und das beginnende Nachtleben. Aber eigentlich will man einfach nur noch los.

Um 23 Uhr ist es dann endlich soweit.


Die Läufer stehen aufgereiht, die Stirnlampen sind angeschaltet, der Startschuss fällt.


Die Meute hetzt los. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte mich relativ weit vorne aufgestellt um nicht in einen möglichen Stau zu kommen. Diese Maßnahme erwies sich aber als unnötig, man läuft erstmal 3 Kilometer über den Strand und hat massig Platz. Beim Start hatte ich ungefähr 60 bis 80 Leute vor mir, alleine auf der Strecke am Strand haben mich mindestens dreihundert Läufer überholt. Wahnsinn. 125 Kilometer vor sich und die stürmen los wie von der wilden Wutz gebissen. Ich hatte mir ja vorgenommenen, langsam zu starten und nicht wieder zu überpacen. Das ist mir zwar besser gelungen als den meisten Mitläufern, aber nicht gut genug. Auch ich war etwas zu schnell. Die Sogwirkung bei einem Start ist schon brutal...

Endlich unterwegs. Das Rennen läuft. Erstmal reinkommen, warmwerden, sich auf den Wettkampf einschwingen.

Nach 2 Kilometern überholt mich Andrea Huser. Prima. Hinter der wollte ich eh mal herlaufen und schauen wie sie läuft. Und außerdem kann sie mich dann zu einer sensationellen Bestzeit ziehen. ;-)

Ja genau! Quatschkopf! Wie war das mit langsam loslaufen? Nach 50 Metern merke ich dass Andrea Huser heute für mich zu schnell ist. Also Tempo raus, eigene Geschwindigkeit finden.

Oft merkt man ja relativ früh im Rennen wie gut es läuft. Bei mir war es: ok. Nicht richtig gut, aber auch nicht wirklich schlecht. Mal schauen, manchmal läuft man sich ja frei und es wird dann noch richtig gut. Abwarten.

So geht es dann in die Nacht. Die Sicht ist gut, die Stirnlampe sitzt und stört nicht. Ich hatte mir eine Kappe falsch rum aufgesetz, so liegt der relativ schwere Akku, der auf der Rückseite sitzt, auf dem Schirm auf und drückt nicht. Passt perfekt.

Anfangs ist es noch recht voll und meist ist nicht an Überholen zu denken. Gerade wenn es auf recht schmalen Pfaden bergab geht.

Der TGC ist mein erster Nachtlauf. Das ist tatsächlich überhaupt kein Problem. Weder bin ich müde, noch ist die Leistung eingeschränkt.

An der ersten Verpflegungsstation nach fast zwei Stunden scheint sich die befürchtete, mäßige Versorgung zu bewahrheiten: Zu trinken gibt es nur Wasser und Cola. Kein Iso oder Sonstiges. Keine Riegel, keine Gels. Das sollte später besser werden, aber nicht wirklich gut. Gels gab es überhaupt nicht, Riegel nicht immer, Iso auch nur an jeder zweiten Station. Damit muss man dann halt leben. Das erschwert natürlich die richtige Kalorienmenge zu sich zu nehmen. Bei Gel und Riegel weiß man, wie viele Kalorien man hat, so muss man das doch eher nach Gefühl machen.





Die Stunden vergehen, alles pendelt sich ein, es ergibt sich irgendwie ein immer gleicher Rhytmus: Regelmässig trinken, so dass nach 1,5 bis 2 Stunden bis zur nächsten Verpflegungsstation beide Flaschen leer sind, ebenso wie die mitgenommenen Riegel, wenn es denn welche gibt. An den Stationen etwas essen und trinken, alles auffüllen und weiter. In der Ebene rennen ohne Stöcke, leicht bergauf rennen mit Stöcken im Schrittrhytmus, bergauf gehen mit Doppelstockeinsatz, runter immer ohne. Irgendwann fällt mir auf, dass ich die Stöcke kaum wegpacke. Entweder ich nutze sie oder ich habe sie in der Hand. Liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass es gefühlt ständig rauf und runter geht. Auf dem Streckenprofil sah das schon so aus, als ob es immer mehrere hundert Höhenmeter am Stück in eine bergauf oder bergab ginge.

Schon einen Tag nach dem Rennen hatte ich an den Streckenabschnitt der in der Nacht gelaufen wird, fast keine Erinnerungen mehr. Das liegt einerseits natürlich an der Tatsache, dass man in der Dunkelheit wenig sieht, aber auch daran, dass man Nachts irgendwie viel mehr vor sich hinbrödelt. Das ist auf der einen Seite schade, auf der andern Seite geht die Zeit doch gut rum. So setzte ich mir als erstes Etappenziel erstmal die Nacht durchzulaufen, dann gibt es Frühstück und dann schauen wir weiter.


Im ersten Drittel des Rennens ist es von Anfang an wie beim Eiger: Bergauf werde ich überholt, bergab überhole ich. Und zwar bei weitem mehr, als ich bergauf verliere. Das ist vor allem auch psychologisch super wichtig. Es gibt mir einfach ein gutes Gefühl, hilft bergauf nicht zu übertreiben und an irgendwem glauben dranbleiben zu müssen. So war mein Gedanke am Start als mich hunderte überholt hatten: Lauft ihr nur, es kommen noch 7500 HM downhill. Da sehen wir uns alle wieder...

Im Verlauf der Nacht stelle ich fest, dass mein Gefühl vom Start genau gestimmt hat. Richtig gut geht es nicht. Ich fühle mich zu früh etwas kraftlos und habe müde Beine. Vielleicht zu wenig gegessen? Ich esse einen Riegel und an der nächsten Station etwas mehr. Ändert aber nichts. Also Tempo kontrollieren und weitermachen. Hier hilft mir nun sehr die Erfahrung vom Eiger aus dem letzten Jahr. Da war die erste Hälfte richtig beschissen, ich war völlig fertig und habe mich doch nach acht Stunden regeneriert und war am Schluss wieder recht fit. Also warum nicht auch hier? Es ist möglich. Ein Schritt nach dem nächsten, einfach immer weitermachen.


Leider haben sich dann noch weitere Probleme dazugesellt. Im linken Bein schmerzten Hüftbeuger und Oberschenkel, später kamen dann noch Knieschmerzen in beiden Beinen dazu, die sich auch durch Dehnen nicht beseitigen ließen. Alles nicht wirklich schlimm, aber in Kombination mit dem insgesamt mauen Gefühl nicht gerade aufbauend. Und vor allem nicht das, was ich mir erhofft hatte: nämlich den Lauf in weiten Teilen genießen zu können.


Ich denke an Sabine: "Na, Erik, machst du wieder Pity Party?" Also versuche ich mich abzulenken, positiver einzustellen ("sei doch froh, es geht alles viel besser als letztes Jahr auf der ersten Eigerhälfte und richtige Probleme hast du keine"). Allerdings ist das nicht so leicht, wenn es sich nicht um eine Krise, sondern um einen Dauerzustand handelt. Und man noch 10 Stunden vor sich hat.

Vielleicht sollte ich doch mal eine Stunde bei Michele Ufer buchen. Der ist durch mentales Training lächelnd durch die Atacama Wüste gerannt. Das will ich auch mal.


Auf jeden Fall scheine ich ein guter Verdränger zu sein. Von dem gesamten Rennen inklusive Strecke ist mir unglaublich wenig in Erinnerung geblieben. Offensichtlich war ich die meiste Zeit mit den Gedanken ganz woanders.

Ein wichtiger Faktor des TGC war die Bodenbeschaffenheit. Zahlreiche Abschnitte bestehen aus Geröll, Steinen, Kieseln. Diverse ausgetrocknete Flussbetten sind zu durchlaufen und die waren meist richtig übel. Richtige Knochenbrecherstrecken und das teilweise kilometerlang. Mann, war das ein hartes Brot.

Es gab natürlich auch reichlich schöne Abschnitte, sowohl vom Laufuntergrund als auch vom Umfeld. Glücklicherweise wird die schönere Gegend in der zweiten Hälfte bei Licht durchlaufen. Hervorzuheben ist hier sicherlich Roque Nublo, der schönste und markanteste Punkt. Spektakulärer Aufstieg bis ganz oben.


Man muss etwas kraxeln, überquert ein Plateau auf dem Gipfel, wird gescannt, dreht rum und wieder runter. Leider ist mir hier ein Missgeschick passiert. An der kraxeligen Passage bin ich auf nassem Fels ausgerutscht und mit dem Hintern auf einen Felsen gedonnert. Ich vermute eine Prellung des Sitzhöckers. Nicht schlimm, aber schmerzhaft. Das sollte mich für den Rest des Rennens begleiten. Aber zum Glück waren es ja nur noch gut 45 Kilometer.

Jetzt war es auch nicht mehr weit bis Garanon, der Drop Bag Station. Das war deshalb super, weil man dort die meisten Höhenmeter geschafft hat. Auf dem Höhenprofil ging es ab da überwiegend runter. Zum Glück hatte ich mir das vorher nicht so genau angeschaut und wusste also nicht, wie viele Höhenmeter noch kommen würden. An der Station habe ich mir ein paar Nudeln gegönnt und mich mal zwei Minuten hingesetzt. Allerdings nicht zu lange, ich wollte im Fluss bleiben. Jetzt kam der Abschnitt, den ich am Donnerstag probegelaufen war. Prima, der ist schön zu laufen. Endlich mal auch weicherer Boden und nichr ständig nur Steine, Steine, Steine.



Ich stolpere. Bin mal wieder mit der Fussspitze an einem Stein hängengeblieben. So ging es beim Eiger los, nach einigen Stolperern hatte es mich dann dort ja hingelegt. Ich denke noch, jetzt bin ich doch inzwischen bestimmt fast 10 Mal übel gestolpert und nicht gestürzt. Ist doch super. Das liegt bestimmt daran, daß ich zum Schutz meine kurzen MTB Handschuhe anhabe. Wenn man sich schützt, passiert nichts. In dem Moment - Patsch! Haut es mich doch wieder hin! Und wie immer super schnell und wie ein nasser Sack. Den Händen ist diesmal, Dank der Handschuhe, nichts passiert. Angenehm ist das natürlich trotzdem nicht und man haut sich ja jedes mal irgend etwas an. Und vor allem reduziert es immer sofort das Selbstvertrauen, vor allem bei den Downhills. Das Bergabtempo hatte ich aufgrund der vielen Stolperei und der müden Beine eh schon reduziert. Mit "volle Lotte den Berg runterbretzeln" war schon nichts mehr, nun umso weniger. Üblere Stürze wollte ich dann doch nicht riskieren.





So ging es denn mühsam weiter. Bergab mit gebremstem Schaum und berauf mit moderatem Tempo. Aber das Wissen, daß es nun nur noch ein "Marathönchen" ist, baut mich auf. Und übewiegend bergab. Das schaffe ich jetzt auch noch. Mein Ziel ist, das Ganze mit Anstand zu Ende zu bringen. Einfach mit einem vernünftigen Tempo zu Ende laufen und finishen. Nach der Zeit habe ich schon länger nicht mehr geschaut, war mit lange völlig egal. Ich wollte eigentlich nur noch ins Ziel.




Der vorletzte Berg. Ich denke über meine eigenen Tips zum Thema Stockeinsatz nach und probiere das aus, indem ich mich hinter einen ungefähr gleichschnellen Läufer klemme und schaue, wie sich unterschiedlicher Stockeinsatz auswirkt. Was passiert, wenn ich die Stöcke nur locker mitführe, was wenn ich kräftig mit den Armen arbeite. Bin ich schneller mit diagonalem Einsatz oder mit Doppelstock. Nette Spielchen, die mich schön ablenken. Der vorletzte Verpflegungsposten wird so zügig erreicht. Mal wieder stehe ich vor dem"reichaltigen" Büffet und kann mich nicht entscheiden. Zwinge mir noch einen Riegel - Feige und Banane - rein. Dann noch die Kappe naßmachen, es ist inzwischen ordentlich warm und weiter geht es. Nur keine lange Pause machen. Es muß alles warm bleiben. Die Muskulatur, vor allem an den Beinen, aber auch am Oberkörper ist hart und steif, es tut alles mögliche weh. Also nichts wie weiter!




Beim Verlassen der Station frage ich einen Spanier, wie weit es noch ist und wie lange es noch etwa dauert. Er meint, noch 3 Kilometer bergauf und 14 Kilometer überwiegend bergab oder flach. Allerdings wieder viel in einem Flussbett. Wenn man sich beeilt, kann man es in 2 Stunden schaffen.

Ich schaue auf die Uhr: Ziemlich genau 16 Stunden sind rum. Das würde bedeuten, daß ich, wenn ich den Rest in 2 Stunden schaffe, unter 18 Stunden bleiben würde. Mann, das wäre schon cool. Aber jetzt noch mal Gas geben? Eigentlich wollte ich ja nur noch ankommen. Eigentlich bin ich schon seit vielen Stunden bedient, müde, erschöpft, körperlich und mental ausgelaugt. Und jetzt noch mal 2 Stunden Tempo machen? Vor allem wenn noch ein Flussbett mit großen, fiesen Wackersteinen wartet, die mich im Verlauf des Rennens schon mehrfach genervt hatten.

Aber ein Finish unter 18 Stunden wäre ja schon klasse. Und so kurz vor Schluß kann man sich ja wohl nochmal zusammenreißen, oder? Also mache ich, während ich die letzten drei Kilometer bergauf in Angriff nehme, einen Plan: Bergauf nur gehen um Kräfte für den Downhill zu sparen. Dafür brauche ich Kraft und Konzentration. Wenn ich die nicht habe, ist es nicht möglich, schnell laufen. Und es ist gefährlich, da üble Stürze drohen. Bergab will ich dann versuchen möglichst locker, möglichst schnell zu laufen. Und sollte ich den Eindruck gewinnen, dass es zu riskant ist, dann halt Tempo rausnehmen und langsamer zu Ende laufen. So der Plan.

Also gehe ich so schnell es bei einem fest vorgegebenen Puls von 140 möglich ist. Ich versuche das maximal mögliche mit Stockeinsatz zu machen. Nach dem Uphill brauche ich die Arme nicht mehr und die Beine sollen für die letzten 14 Kilometer geschont werden. Es formiert sich eine Gruppe von ca. 10 Läufern. Alle sind schweigsam, konzentriert und geben offensichtlich alle mächtig Gas. Ich vermute, alle haben das Ziel 18 Stunden vor Augen. Bis auf 100 Meter bleiben bis oben alle zusammen. Auf dem Gipfel geht es dann tatsächlich wieder in ein ausgetrocknetes Flussbett mit üblem Gestein über. Meine Fresse, das jetzt nach über 100 Kilometern. Ich bleibe an einem Spanier dran, der recht flott läuft. Vielleicht ist es einfacher, wenn er den Weg sucht. Geht gut. Leider bleibt er nach einiger Zeit stehen. Die meisten anderen hatte ich schon überholt, zwei hingen noch hinter mir dran und liessen dann irgendwann abreißen. Also alleine weiter. Ich denke bei mir, dass das doch irgendwie cool ist, nach über 16 Stunden und 100 Kilometern wie ein Bekloppter durch ein Geröllfeld zu brettern. Aber irgendwie geht das gut. Die Gedanken, die zwischendurch immer mal wieder aufkommen ("ganz schön anstrengend, so schnell zu laufen", "es sind noch 1,5 Stunden"...) kann ich meist schnell verscheuchen, ich habe jetzt mein Ziel vor Augen. An einer relativ einfachen Stelle, watz, haut es mich wieder kräftig hin. Beide Knie offen! Egal. Sofort hoch, keine Zeit sich aufzuregen. Weiter. Flott weiterlaufen, das kann jetzt nicht mehr weit sein, man sieht doch schon fast die Küste.





Endlich kommt wieder ein Kilometerschild: 10 Kilometer. WAS?? Noch 10 Kilometer? Das kann doch nicht sein, ich renne doch schon wieder ewig. Kann aber schon. In deftigen Steinpassagen ist man halt einfach nicht schnell. Jetzt weiß ich auch, warum der Spanier für 17 Kilometer 2 Stunden angesetzt hat. Egal, weiter! Auf Zug. Irgendwann verläßt man dann das Tal aus den Bergen und nähert sich der Stadt. Beim Schild "5 Kilometer" bleiben mir noch 30 Minuten. Normalerweise Pillepalle. Aber mal lieber weiter Tempomachen, man weiß nie, was da noch kommt. Und es kommt noch eine Steinpassage, ein Kanal mit ungleichmäßigen feuchten Steinplatten und ein paar Treppen. Also flott weiter, fühlt sich irgendwie gut an. Nach 120 Kilometern kann ich noch recht locker und einigermaßen schnell laufen und auf den letzten Kilometern habe ich bestimmt noch 10 Leute eingesammelt. Es beginnt mich ein wohliges Gefühl zu durchströmen. Jetzt bin ich mir sicher, daß ich es schaffe. Noch drei Kilometer, noch ein Stück im Kanal, rauf auf die Straße, ExpoMelomeras kommt in Sicht, die Lautsprecher wummern. Ich beginne innerlich zu lächeln, rein in den Zielkanal, nun lächle ich auch nach außen, rauf auf den Zielbogen.

Geschafft! 17 Stunden 53 Minuten! Das Rennen! Den inneren Schweinehund! Die Müdigkeit und Kraftlosigkeit, die Stürze und Schmerzen! Und den langen Schlußspurt! Geschafft!!

Ich bin völlig fertig, torkele irgendwo hin um mich zu setzen. Kann erstmal gar nicht viel denken. Muss mich erstmal sammeln. Bin voller Emotionen. Glücklich. Stolz. Erleichtert. Gerührt. Der Lauf fliegt nochmal an mir vorbei. Geben mich eine Zeit einfach meinen Gefühlen hin.

Katrin ruft an. Sie hat mit Sabine und Andrea den Zieleinlauf live gesehen. Wir reden nur kurz, ich will so schnell wie möglich ins Hotel. Für heute bin ich bedient.

Lasse mir nur noch meine Medaille umhängen und das Finisher-Shirt überreichen und ab ins Taxi.

Im Hotel brauche ich eine halbe Ewigkeit, bis ich es unter die Dusche schaffe. Durch den Sturz auf den Rücken hat sich inwischen eine Beule entwickelt, muss wohl eine ordenliche Prellung sein. Dadurch kann ich mich kaum bücken. Und die inzwischen erkaltete Muskulatur ist total hart und steif, alles tut weh. Ich fühle und bewege mich wie ein Zombie. Nach der Dusche erstmal aufs Bett schmeissen. Herrlich. Darauf habe ich mich die ganze Zeit gefreut. Geht aber auch nicht lang. Ich merke was mir alles weh tut, vor allem die Fusssohlen schmerzen so, daß ich alle paar Minuten aufstehe um sie kalt abzuduschen. Hilft aber kaum. Die Wackersteine lassen grüßen.

Also erstmal Abendessen. Darauf habe ich mich die letzten Tage gefreut: Endlich voll zuschlagen und das Buffet mal richtig ausnutzen. Geht aber nicht. Habe keinen großen Appetit. Also wieder ab aufs Zimmer und früh ins Bett. Wird allerdings eine unruhige Nacht. Die Füße und einiges anderes pochen oder kribbeln und eine schmerzhafte Prellung am Rücken ist auch nicht gerade schlaffördernd...

Am nächsten Morgen treffe ich Liam beim Frühstück. Er erzählt, daß er leider ein DNF hat. Er hat sich mit ein paar anderen Läufern so arg verlaufen, daß sie aus dem Rennen genommen wurden. Er ist völlig demoralisiert. Das ist echt hart!

Fahre dann noch zur Siegerehrung.


Treffe mich mit Daniel Jung. Er ist vierter geworden und sehr zufrieden. Es waren viele Topläufer am Start und sein Ziel war, unter die top Ten zu kommen. Außerdem ist er einmal übel gestürzt. Also eine Top Leistung!! Ich kannte Daniel vorher nur vom chatten aus den sozialen Netzen. Live ist er, genau wie er dort wirkt: Super nett, offen, entspannt, zurückhaltend. Einfach ein cooler Typ!


Gewonnen hat wieder Pau Capell, bei den Frauen Magdalena Maczak. Hier die Ergebnisse:
  1. Pau Capell (ESP) 12:42:08
  2. Aurelien Collet (FRA) 12:56:39
  3. Cristofer Clemente (ESP) 13:22:48
  1. Magdalena Laczak (POL) 15:18:37
  2. Andrea Huser (SUI) 15:18:37
  3. Ekaterina Mityaeva (NZL) 16:12:48

Den Text oben habe ich auf dem Rückflug und am Tag danach geschrieben. Zuhause hatte ich dann erstmal keine Lust auf gar nichts. Deshalb bin ich auch eine ganze Woche überhaupt nicht gelaufen, um mich zu erholen. Auf Blog schreiben hatte ich erstmal auch keine Lust, deshalb hat es nun etwas gedauert, bis ich diesen Beitrag fertig geschrieben habe. Das hat nun aber den Vorteil, daß ich noch eine Bewertung mit etwas Abstand beifügen kann. Während des Laufs hatte ich schon gedacht, daß das das erste und letzte Mal TGC sein werden. Vor allem der üble Untergrund hat mich doch sehr genervt und teilweise den Spaß ausgetrieben. Und einen Lauf zu bestreiten, mit Flug und früher Anreise, wenn man sich dann an wenig erinnert, macht ja auch nur bedingt Sinn. Allerdings habe ich mir hinterher die Bilder des Laufes angeschaut und gedacht: das sieht doch nach einem tollen Lauf aus. War ich da tatsächlich dabei? Vielleicht bekomme ich mein Lauftempo mal irgendwann in den Griff und bekomme dann auch was vom Rennen und der Gegend mit. Und wenn man so früh im Jahr einen Lauf machen will, gibt es nicht viele Alternativen. Also eher nicht noch mal - ich will es aber nicht ausschließen. Und irgendwie hat mich der TGC doch einige Wochen beschäftigt. Man denkt immer mal wieder daran, Gefühle kommen auf, Erinnerungen. Und es war definitiv wieder eine Erfahrung mit vielen neuen Aspekten und Facetten.

In diesem Sinne: See you on the Trails! Vielleicht doch mal wieder auf dem TGC.



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