UTMB, ITRA & Co: Kommt jetzt die Lex Kilian Jornet?

von Sabine


Derzeit schwappt mal wieder das Thema „UTMB und die Qualifikationspunkte“ durch die Trail- und Ultrarunning-Medien. Mal wieder, denn es ist gerade mal ein Jahr her, da war der Aufschrei groß, als es um Streitigkeiten um den Begriff „Ultra-Trail“ ging. Diesen Begriff hat sich nämlich Catherine Poletti, Wettkampfleitung des UTMB und eine Frau, die im gesamten Organisationsgeflecht von UTMB, ITRA und UTWT eine wesentliche Rolle spielt, markenrechtlich schützen lassen. Der Lars vom Blog Trailfieber.de hat damals die Bestrebungen dokumentiert, Läufen die Qualifikationspunkte zu verweigern, die nicht bereit sind, die Komponente „Ultra Trail“ aus ihrem Namen zu streichen.  Auch das Bekanntwerden des Doping-Vergehens von Gonzalo Callisto, Fünfter beim UTMB 2015, ließ einige Fragen hinsichtlich der Informationspolitik von UTMB und ITRA offen – Ian Corless von Talk Ultra berichtete damals.

Jetzt ist es kein geringerer als der Eliteläufer Kilian Jornet, der die sehr fragwürdige Vergabe der Qualifikationspunkte nochmal an die Oberfläche hat kommen lassen – und das mit Vehemenz. Denn Kilian Jornet würde in diesem Jahr gerne beim UTMB starten – nachdem er 2011, bei seinem dritten Sieg beim UTMB, zum vorläufig letzten mal dort aufgetreten ist. Obwohl sich Kilian wegen seines „Summits of my life“ Projekts, insbesondere seines Everest-Rekordversuchs, in den letzten 3 Jahren bei Trail- und Ultrawettkämpfen rar gemacht hat, hat er es durch souveräne Siege bei seinen wenigen Starts locker geschafft, auf die „Elite“-Liste des UTMB zu gelangen. Diese Elitesportler müssen sich nicht dem Losverfahren beim UTMB stellen und starten kostenfrei.

Problem ist aber: Die Rennen, bei denen Kilian Jornet im Qualifikationszeitraum 2015/2016 gestartet ist, sind größtenteils nicht mit ITRA-Punken bewertet. Und davon braucht man für den UTMB bekanntlicherweise 15, zu sammeln in maximal 3 Rennen. Der gegenwärtige Auszug aus der ITRA-Athletenseite von Kilian zeigt das „Problem“: Zwar hat Kilian Jornet alleine dreimal hintereinander den Hardrock 100 gewonnen, allerdings hat er für den Zeitraum 2015/2016 nur 5 ITRA Punkte (erlaufen beim Ultra Pirineu 2015).

Screenshot der ITRA Athletenseite von Kilian Jornet, 04.07.2017

Nun ist Catherine Poletti an die Organisatoren des Hardrock 100 herangetreten mit der „Bitte“, doch gebührenpflichtig der ITRA beizutreten, damit man den Hardrock 100 mit Qualifikationspunkten ausstatten und Kilian Jornet damit beim UTMB starten könne. Mit der Reaktion hat Frau Poletti allerdings wohl nicht gerechnet: Die Organisatoren sagten nicht nur „NON“, sondern sie taten es in einem offenen Brief und nahmen dabei die Organisatoren einer ganzen Reihe anderer renommierter US-Läufe mit ins Boot: unter anderem Run Rabbit Run, Speedgoat 50, Wasatch Front 100, Angeles Crest 100 und Grindstone 100. Und sie begründeten sehr gut, warum sie nicht die zahlenden Lieferanten von Eliteläufern für den UTMB sein wollen.

Als ich dann recherchierte, fand ich einen seltsamen Widerspruch. Denn bei den Qualifikationsläufen für den UTMB war sehr wohl der Hardrock gelistet, mit jeweils 6 Qualifikationspunkten. Wohlgemerkt: ITRA Qualifikationspunkten – zu erkennen am ITRA Logo.

Auszug aus der Liste der UTMB Qualifikationsläufe, Screenshot vom 30.06.2017

Das machte mich stutzig – wie konnte das sein? Ich habe mich hingesetzt und habe am 30.6. an den UTMB geschrieben:


Es dauerte eine Weile – bis zum 3. Juli – bis ich Antwort bekam:


Dann wollte ich nochmal nach den Qualifikationsläufen schauen – und siehe da, es hatte sich etwas geändert: Man vergleiche dieses Bild vom 4. Juli 2017 mit dem Screenshot vom 30. Juni 2017. Der Hardrock 100 hat zwar weiterhin 6 Punkte – diese sind allerdings nicht mehr als ITRA-Punkte gelistet.

Auszug aus der Liste der UTMB Qualifikationsläufe, Screenshot vom 04.07.2017

Auch wenn es noch keine offizielle Verlautbarung von Seiten des UTMB gibt – diese wurde ja für Anfang dieser Woche angekündigt – es scheint so zu sein, als sei die Entscheidung für eine Lex Hardrock und damit eine Lex Kilian Jornet gefallen: Man teilt dem Hardrock 100 Qualifikationspunkte zu, aber nicht durch die ITRA, sondern durch den UTMB.

Niemand wird bestreiten wollen, dass Kilian Jornet hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit einen berechtigten Platz beim UTMB hat. Man kann auch grundsätzlich in Frage stellen, warum Eliteläufer, die sich ja schon durch das Ranking qualifizieren, nochmal die ITRA Punkte brauchen, die es für die Rennen gibt. Denn eigentlich sollten ja diese Punkte lediglich garantieren, dass der Läufer einen so anspruchsvollen Lauf wie den UTMB auch durchstehen kann.

Aber: Die personellen Verflechtungen (v.a. Familie Poletti) und die Vermischung von Interessen zwischen UTMB, UTWT und ITRA sind für mich unerträglich. So lange es da keine Entflechtung gibt, ist mir völlig egal, ob ein Lauf UTMB-Qualifikationspunkte vergibt oder nicht – es zieht mich zum UTMB nichts hin, obgleich er zweifelsohne durch grandiose Natur verläuft und super organisiert ist. Aber ich erwarte beim Laufen nicht nur klare Luft, sondern auch klare und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse.

Kommentare

  1. Nachtrag: Mittlerweile gibt es doch ein Statement der ITRA zum offenen Brief von Hardrock 100 & co. Die hier vorgenommenen Richtigstellungen kratzen jedoch nur an der Oberfläche - inhaltlich können sie den Eindruck der personellen Verflechtungen und Interessenkonflikte zwischen ITRA und UTMB in keinster Weise entkräften. Gleichzeitig nimmt einem diese Erklärung auch die Hoffnung, dass man wirklich auf klare und nachvollziehbare Entscheidungen setzt.
    https://trailrunningspain.wordpress.com/2017/07/05/international-trail-running-association-responds-to-racket-accusations-from-usa-media-and-hardrock100-director/

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